![Brennessel (Bild: von Jan Rehschuh (Eigenes Werk) CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons](/images/1200/Der-persoenliche-Unkrautspiegel.jpg)
Brennessel (Bild: von Jan Rehschuh (Eigenes Werk) CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
Nicht jedes wilde Kraut wächst bei jedem, stellt Sabine Reber fest, und fragt sich, was Nachtkerzen, Schaumkraut und Giftlattich ihr wohl sagen wollen.
Nein Leute, "Unkraut" sagt man natürlich nicht mehr. Man sagt "unerwünschte Beikräuter" oder meinetwegen ganz undiskriminierend und schlicht "Wildkräuter". Aber diese Kolumne soll nicht von der politisch korrekten Formulierung für als störend empfundenen Beiwuchs handeln, sondern vom Unkraut an und für sich. Und zwar, das ist meine in vielen Praxisjahren erprobte Theorie, sagen die von selber auftauchenden Gewächse als Zeigerpflanzen nicht nur viel über einen Ort und seinen Boden, sondern auch einiges über den Gärtner aus, ganz nach dem Motto: "Zeig mir dein Unkraut, und ich sag dir, wer du bist."
Flaniert doch mal mit dieser Idee im Hinterkopf durch eure Gärten oder, das ist auch ein amüsanter Zeitvertrieb, analysiert mal Nachbars Beete aus diesem Gesichtspunkt. Schaut euch genauer an, was da so von selber auftaucht, und versucht euch einen Reim oder zwei drauf zu machen. Bei mir scheint?s, dass vor allem die leicht versamenden, kurzlebigen Sachen gerne herbeifliegen, und dann auch gerne bleiben. Also Nachtkerzen (willkommen sind ihre essbaren Blüten! Und die Wurzeln lassen sich wie Karotten verwenden), Schaumkraut und Sternmiere (beides ganz gut im Salat), und ausserdem der Giftlattich, mit dem ich nun nicht gerade viel anzufangen weiss. Lustigerweise hatte ich den schon im meinem letzten, und in meinem vorletzten Garten auch, und rundherum wächst er nicht, also ist der wohl persönlich zu nehmen. Aber was genau will mir der Giftlattich sagen? Ich will jetzt nicht über Drogen im Garten ausholen. Aber seit ich mal mit der "Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen" von Christian Rätsch durch mein grünes Reich gegangen bin, weiss ich, dass ich im Grunde eine halbe Apotheke verwalte! Ja wilden Hanf auch, klar, aber der schmeckt als Gemüse nicht besonders gut. Und wenn er in einem Garten von selber auftaucht, hat es meist schlicht damit zu tun, dass im Winter die Vögel gefüttert wurden. Ausserdem wächst Feldsalat bei mir überall; wie der Name sagt, ist er auch ein häufiges Ackerunkraut. Und die Hornveilchen tauchen auch immer und überall auf, diese freundlichen kleinen Gesichter, deren Blüten heilende Kräfte haben und die auch im Salat fein schmecken. Bei mir wächst also lauter kleines, mehr oder weniger brauchbares, aber unbeständiges Zeugs, könnte man nun analysieren. Eins ist angesichts meines Unkrautspiegels sicher, bei mir wachsen nicht gerade die Bäume in den Himmel! Anderseits bin ich noch froh darum, denn abgesamte Eschen, Eichen, Ahorne oder massenweise Essigbäume ausreissen zu müssen, das ist dann auch kein Spass. Und wehe, in einem Garten versamt sich der Kirschlorbeer. Da lobe ich mir doch meine flüchtigen kleinen Anarchistenkräuter. Anderseits, ein paar notorische Herausforderungen habe ich auch zu meistern, als da sind: Brennesseln, Brombeeren, Winden. Etwas Brennesseln lasse ich immer stehen für die Fuchsschwanzraupen. Aber das ganze Spargelbeet durchzogen mit ihrem Wurzelgeflecht, das geht natürlich nicht, denn die Brennesseln sind allemal stärker und würden meinen zarten Spargeln nicht die Spur von Nahrung und Wasser übriglassen. Also heisst es, die Wurzeln alle mühsam herausklauben. Und mühsam herausklauben muss man leider auch die meterlangen weissen Wurzeln der Winden. Und zwar immer wieder, während Jahren. Stets dranbleiben, dann werden sie mit der Zeit weniger. Mit den wilden Brombeeren habe ich auch meine Kämpfe auszufechten. Ich weiss nicht, wie viele Kilometer Brombeerranken ich in meinem Gärtnerinnenleben schon ausgerissen habe, wahrscheinlich könnte man damit ein Seil spannen bis zum Mond und zurück. Und es wachsen immer noch welche aus den alten Rebmauern heraus, ihr Vorrat scheint unerschöpflich! Auch da gibt es nur eins: dranbleiben.
Und übrigens, so interessant ich die meisten wild auftauchenden Pflanzen finde, für etwas Ordnung sorge ich dann natürlich auch in den Gemüse- und Blumenbeeten. Und zwar muss man das jetzt tun, recht zeitig im Frühling, und ganz gewiss bevor Löwenzahn und Ackermelde und Franzosenkraut und wie sie alle heissen auch nur auf die Idee kommen, sie könnten sich versamen! Im Frühling gründlich jäten, und dafür dann im Sommer gemütlich zurücklehnen ist ein bewährtes Gartenmotto. Oder, und in diesem Zusammenhang zumindest ist der abgedroschene Spruch ein guter Rat: wehret den Anfängen. Wenn einem die Beikräuter erst einmal über den Kopf gewachsen sind, dann vervielfacht sich die Arbeit.
Jetzt im Frühling hingegen lassen sich die jungen Pflänzchen noch leicht aus der Erde zupfen. Besonders gut geht diese Arbeit nach einem kräftigen Regen von der Hand, wenn der Boden schön aufgeweicht ist. Und ein Grossteil der als Unkraut verschrienen Pflänzchen landet dann sowieso gleich in der Salatschüssel oder in der Pfanne. Brennesseln und Giersch und andere etwas rezent schmeckende Kräuter am besten wie Spinat dünsten und mit Butter anrichten, oder fein schneiden und in den Risotto mischen. Und alle möglichen zarten Blättchen einfach dem Salat beigeben. Ihr findet diverse Rezepte in den einschlägigen Wildpflanzen-Kochbüchern. Also, viel Spass beim Jäten, und guten Appetit!
Buchtipp:
Guten Rat, wie wir im Garten ein Gleichgewicht finden mit den wilden Kräutern, gibt Brunhilde Bross-Burkhardt in ihrem neuen Buch "Lob des Unkrauts". Haupt Verlag, 35.90 Fr.