Irgendwie scheinen die Pfirsichbäume auch nach 1000 Jahren Migrationsgeschichte noch nicht richtig bei uns angekommen zu sein. Wer sie in den Gärten anschaut, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie immer noch Fremdlinge sind und sich nicht richtig wohl fühlen. Die Kräuselkrankheit schlägt jedes Jahr im Frühling zu, der Baum wird schwächer und schwächer und ist schliesslich nur noch ein Schatten seiner selbst. Aber das geht auch anders: Die Basis für eine erfolgreiche Pfirsichbaumkultur bei uns in Nord- und Mitteleuropa ist das richtige Pfirsichbaum schneiden.
Inhaltsverzeichnis
- Zusammenfassung
- Basiswissen: Wo macht der Pfirsichbaum Blüten und Früchte?
- Das grösste Problem des Pfirsichanbaus: Kräuselkrankheit
- Viel oder wenig schneiden: Was ist die richtige Wahl beim Pfirsichbaum?
- Der einfache Pfirsichbaumschnitt in 3 Schritten
- Die Reaktion des Pfirsichbaums auf den Schnitt
- Und wie schneide ich einen Jungbaum?
- Radikaler Jungbaumschnitt
- Schnitt eines alten vernachlässigten Pfirsichbaums
- Fühlt sich der geschnittene Baum jetzt bei uns wohler?
- Das Pfirsichleben dauert…
Zusammenfassung
Entgegen der Schnitttechnik, die wir beim Apfel- und Birnbaum propagieren (eigentlich: nicht schneiden), muss der Pfirsichbaum stark geschnitten werden. Nur so können wir das starke Wachstum an Neutrieben erzeugen, das wir (und der Pfirsichbaum) brauchen. Denn eines ist sicher: Pfirsichbäume tragen nur am letztjährig gewachsenen Holz grosse, vollentwickelte Früchte.
Basiswissen: Wo macht der Pfirsichbaum Blüten und Früchte?
Wer einen Pfirsichbaum pflanzt, hat ja die Absicht, Früchte zu ernten. Dafür ist es ganz gut zu wissen, wo und wann diese Früchte entstehen: Der Pfirsichbaum macht fast ausschliesslich Blüten am letztjährig gewachsenen Holz, und dabei vor allem an den stärkeren Ästen. Ohne Wachstum und ohne solche frische Äste wird es ziemlich schwierig mit dem Ertrag. Und selbstverständlich gilt der Umkehrschluss: Viel Wachstum führt zu viel Ertrag.
Bild: Die Pfirsichblüten sitzen jeweils am 1-jährigen Holz.
Das grösste Problem des Pfirsichanbaus: Kräuselkrankheit
Der Elefant im Raum des Pfirsichanbaus ist die Kräuselkrankheit. Sie infiziert gleich nach dem Austrieb die neu entstehenden Pfirsichblätter, lässt sie kräuseln und schrumpeln. Der deutsche Begriff ‘Kräuseln’ ist eher ein Euphemismus, er verniedlicht den Krankheitsverlauf: die kräuselnden Blätter fallen irgendwann ab und stehen damit der Energieproduktion des Baums nicht mehr zur Verfügung. Schlimmer noch: Die befallenen Blätter können bei noch kühlen Frühlingstemperaturen laufend wieder neue Blätter infizieren. Schliesslich nistet sich der Pilz wieder in den Blattachselknospen der neu entstehenden Triebe ein, um dann im Folgejahr wieder auszubrechen… Die einzige gute Nachricht: bei beginnendem Frühsommer, wenn die Temperaturen wieder regelmässig über 20°C steigen, verliert die Kräuselkrankheit ihre Infektionskraft und der Baum beginnt sich zu erholen. Daraus folgt: Wir müssen die Infektion möglichst reduzieren und die Wuchsreaktion des Baums im Frühling so stärken, dass der Baum sich nach der fast unvermeidlichen Kräuselkrankheitsinfektion schnell wieder erholt.
Viel oder wenig Pfirsichbaum schneiden: Was ist die richtige Wahl?
Die Antwort ist ganz klar: Viel und stark schneiden! Das ist zugegebenermassen etwas kontraintuitiv, da wir bei vielen anderen heimischen Fruchtarten wie Apfel und Birne immer für den ‘ruhigen’ Baum plädieren, der Früchte trägt und möglichst wenig durch allzu starkes Schneiden zu zusätzlichem Wachstum angeregt wird. Das ist beim Pfirsich ganz anders: Er braucht den Anreiz des Schnitts, wahrscheinlich auch die Bedrohung des Schnitts, um genügend Wachstum aufzusetzen, das sich dann im Folgejahr in Ertrag umsetzen lässt.
Der einfache Pfirsichbaum schneiden in 3 Schritten
Pfirsichbaum schneiden Regel 1
Entferne an der vertikalen Achse, am Stamm des Haupttriebs sowie an stärkeren Seitenästen alle abgetragenen Triebe, die im letzten Jahr Früchte getragen haben. Es wird immer auf 2 Augen zurückgeschnitten, das heisst, ein Stummel bleibt stehen, damit allenfalls neue Fruchttriebe entstehen können.
Pfirsichbaum schneiden Regel 2
Entferne alle schwachen Fruchttriebe (manche sprechen auch von ‘falschen’ Fruchttrieben). Sie sind meist nur kurz und auch dadurch gekennzeichnet, dass du am ganzen Ästchen keine oder nur wenige Nodien mit 3 Knospen findest ( = 2 Blütenknospen rechts und links und in der Mitte eine Spitze Blatt- oder Triebknospe). Solche voll fruchtbaren Knospenverbunde sind auf den stärkeren und echten Fruchtästen zu finden, vor allem auf ca. der Mitte der Trieblänge (siehe unter Regel 3) Auch der Schnitt des schwachen Fruchtholzes erfolgt nicht bis zum Astring, immer bleiben 2 Knospen stehen. Wir verstärken durch den umfassenden Rückschnitt die Wuchsreaktion des Baums. Natürlich gehen durch diesen Schnitt auch nicht wenige Blütenanlagen verloren, aber der entsprechende Ausdünnungseffekt ist erwünscht. Der Pfirsichbaum produziert im Vergleich zum möglichen Ertrag viel zu viele Blütenknospen… Und gerade die schwachen oder unechten Fruchtäste zeigen sehr häufig kleinere und unterentwickelte Früchte.
Bild: Links 'echte' , also dicke und rechts 'falsche' Fruchttriebe des Pfirsichs.
Pfirsichbaum schneiden Regel 3
Alle echten, langen und starken Fruchttriebe (Kennzeichen: Bleistiftdicke und dicker, im mittleren Bereich viele 3-teilige Knospen) werden um ca. 30% eingekürzt. Warum? Meist sind am Ende des Astes nur vegetative Knospen zu finden, keine Blütenknospen; hier werden also nur Blätter austreiben, die wieder von der Kräuselkrankheit befallen werden.
Die Reaktion des Pfirsichbaums auf den Schnitt
Auf den starken Schnitt wird der Baum grundsätzlich mit viel Wachstum reagieren, das heisst, es wird so sichergestellt, dass wir auch im Folgejahr genügend neue Triebe zur Verfügung haben werden. Nur frische, letztjährig gewachsene Äste sind fruchtbar. Durch den starken Schnitt und durch die Reduktion der echten Fruchttriebe um 30% sind auch viele Blattknospen entfernt worden, so dass die Kräuselkrankheit sich weniger verbreiten kann. Zwar kann der neue Austrieb nach der Blüte noch befallen werden, aber der starke Wachstumsdruck führt in der Tendenz dazu, das die neuen Austriebe der Kräuselkrankheit regelrecht davonwachsen. Dazu kommt, dass ab einer Temperatur von +20°C die Kräuselkrankheit kaum mehr neue Blätter infizieren kann. Folge: Der Baum erholt sich und kann seine Früchte ungestört und unverdrossen zur Reife bringen.
Pfirsichbaum schneiden - wie schneide ich einen Jungbaum?
Das Ziel ist ganz klar eine Spindelform, das heisst ein Baum, der eine starke vertikale Achse (die Verlängerung des Stamms) entwickelt und an dieser Achse Fruchtäste und immer wieder neues Fruchtholz entwickelt. Um dies zu erreichen, beginnt der richtige Jungbaum-Schnitt und Erziehungsschnitt idealerwiese schon kurz nach der Pflanzung im Frühjahr. Falls man im späten Frühling pflanzt oder im Sommer bis Herbst, erfolgt der erste Schnitt des Pfirsichbaums im nachfolgenden Frühling. Der richtige Jungbaumschnitt gehorcht den gleichen Regeln wie der Schnitt eines älteren Baums (siehe oben: Der einfache Pfirsichbaumschnitt):
Schritt 1 fällt aus, da es noch keine älteren abgetragenen Äste gibt.
Schritt 2: Schwache Seitenäste werden auf Aststummel entfernt. Als Regel mag gelten, dass man gerne bis zu 70% der Äste eines Jungbaums wegschneiden kann – natürlich bis auf die Stummel mit 2 Augen.
Schritt 3: Die verbleibenden starken und echten Fruchtäste werden um ca. 50% eingekürzt.
Bild: Jungbaum vor dem Schnitt Bild: Jungbaum nach dem Schnitt
Alternative: Wenn der Jungbaum noch zu schwach ist und wenn an den Seitentreiben noch gar keine 3-teiligen Knospen zu entdecken sind, kann man auch alle Seitentriebe auf 2 Augen zurückschneiden. Die untersten Seitenäste können gerne auch etwas länger gelassen werden, so dass sich die gewünschte Spindelform ergibt. Der Stamm (die vertikale Achse) wird um 20-30% zurückgeschnitten.
Schnitt eines alten vernachlässigten Pfirsichbaums
Der wichtigste Grundsatz ist auch hier wieder: Stark schneiden! Im Gegensatz zu einem jungen Baum oder zu einem über die Jahre nach unseren Regeln geschnittenen älteren Pfirsichbaum müssen zunächst unproduktive oder gar schon verkrüppelte ältere Seitenäste entfernt werden. Sie werden so zurückgeschnitten, dass möglichst viel junges Wachstum (letztjährig gewachsene Seitentriebe) stehen bleiben. Nach diesen grossen Schnitteingriffen folgt dann der oben beschriebene Feinschnitt in 3 Schritten.
Bild: Ein vernachlässigter Baum
Fühlt sich der geschnittene Baum jetzt bei uns wohler?
Na ja, wir treiben ihn Jahr zu Jahr an, sich so zu entwickeln und so viele neue Äste zu entwickeln, dass er in unserem Klima produktiv überleben kann. Der Baum überlebt und ist nicht so stark von der Kräuselkrankheit geplagt. Dazu kann er genügend Früchte zur Reife bringen, was seinen Selbsterhaltungstrieb befriedigt – und natürlich auch uns Menschen freut. Funktionierende Kulturpflanzen brauchen immer wieder genügend grosse Schnittmengen zwischen den Interessen der Pflanze und der Interessenlage des Menschen😉
Das Pfirsichleben dauert…
Allerdings ist das auch ein ziemlich anstrengendes Pfirsichleben. Zwar beginnt ein Pfirsichbaum gleich schon im ersten Standjahr Früchte zu tragen, man kann also fast sofort die Früchte der eigenen Gartenarbeit (und des Überlebenswillens des Baums) geniessen. Aber ein so geforderter Pfirsichbaum wird bei uns in der Regel nicht sehr alt werden. Rechnet einfach mal mit 6-10 Lebensjahren. Und dann? Ja bis dann habt ihr Euch so an die selber vollreif gepflückten Pfirsichfrüchte gewöhnt, dass ihr für den sich verabschiedenden alten Baum gleich wieder zwei junge Pfirsichbäumchen pflanzt.
Pfirsichbaum schneiden