Eine fette Erkältung im Winter ist manchmal gar nicht so schlecht. Einen großen Vorteil hat sie nämlich unbestreitbar: Man schmeckt die golfballharten Billigtomaten aus dem Supermarkt/Discounter nicht mehr. Sie schmecken so sehr nach nichts, dass es schon weh tut, zumindest wenn man Hobbygärtner ist und weiß, wie eine sonnenwarme Kirschtomate frisch aus dem Garten schmeckt, vom Strauch direkt in den Mund und draufgebissen, dass der Saft meterweit auf den Rasen spritzt.
Ha! Ich weiß, was ihr sagt: Liebe Ranka, dann kauf' doch keine Tomaten im Winter! Im Ernst? Kommt ihr ein Dreivierteljahr ohne Tomaten aus? Ich nicht. Drei Dinge brauche ich das ganze Jahr, 365 Tage (und manchmal Nächte): Beeren, Tomaten und Kartoffeln. Während ich bei Ersteren dank Lubera Selbstversorger bin (es lebe die moderne Erfindung der Tiefkühltruhen), muss ich die beiden anderen Grundnahrungsmittel dazu kaufen. Im Winter ist das kein Vergnügen! Wer die Winter-Tomaten vom anderen Ende des Kontinents liebt und gar nicht erwarten kann, sie nach dem Einkauf auszupacken und hineinzubeißen, bitte Hand hoch. Ich brauche sie, aber ich liebe sie nicht. Nein, ich zähle die Tage, bis ich wieder frische aus dem Garten ernten kann.

Bild: 'Primabella' - die robuste und aromatische Freilandtomate
Aber auch da droht Gefahr, denn: Sie sind oftmals nur noch zuckersüß. "Hallo", höre ich euch wieder sagen, das soll ein Problem sein? Das ist doch wunderbar! Hmmmm, nö, finde ich nicht. Dabei bin ich noch nicht mal ein Superschmecker wie meine Tochter (hat Ernährungswissenschaften studiert, ist also ein unbestechlicher Kritiker bei der Verkostung im Garten, sie schmeckt Unterschiede bei Tomaten, die ich nicht mal erahne). Ich würde mich als Normal-Schmecker einstufen (es gibt übrigens offiziell auch Nicht-Schmecker und das hat in diesem Fall nichts mit Krankheit oder Nebenwirkungen von Medikamenten zu tun. Genetisch bedingte Nicht-Schmecker sind denn wohl die, für die unreife Supermarkttomaten genauso "gut" schmecken wie sonnengereifte Gartentomaten).
Aber zurück zum Zucker. Warum müssen Tomaten unbedingt wie ein Stück Würfelzucker schmecken? Sind wir denn alle zuckersüchtig geworden in den letzten zwanzig Jahren? Ja, sind wir, denn seit Zucker uns quasi seit dem Abstillen begleitet in Form von Bonbons, Keksen, Brötchen, Brot, Pizza, Chips und Wurst sind wir das wirklich.
Die Zucker-Tomaten sind sozusagen der Gipfel des Zucker-Berges und haben unter sich schon viele züchterisch-versüßte Gemüsesorten wie Paprika, Karotten und sogar Kohlsorten geschart, die mit ihren Urahnen nichts mehr gemein haben als den Namen.
Bild: 'Resi' - die aromatische Cocktailtomate für den Freilandanbau
Was macht das aber mit unserem Geschmacksknospen, wenn sie keine Vielfalt mehr bekommen? Geschmacksexplosionen werden nun mal nicht von Zucker ausgelöst, sondern von vielen Komponenten, da sind wir uns Hobbygärtner doch einig. Ansonsten würden wir uns ja nicht abplagen mit säen, pflanzen, aufpäppeln, gießen und hegen unseres geliebten Gemüse- und Obstgartens.
Wenn wir eine sonnenwarme Tomaten von Strauch pflücken und sie in den Mund schieben, wollen wir nur eines: Geschmack! Und wo kommt der her? Ich will doch stark hoffen von Lubera!
Ich habe mir soeben wieder das Tomaten-Verkostungs-Video von Markus Kobelt angesehen und warte nun sehnsüchtig auf die neue Tomaten-Pflanzen-Auswahl 2019.
Video: Die Aromavielfalt der Tomaten
Ach ja: Die Geschmacksknospen unserer Zunge erneuern sich alle zehn Tage. Das lässt doch hoffen. Gewöhnen wir den zart-sprießenden Knospen die Zuckersucht ab und verwöhnen wir die unschuldigen Geschmackspapillen mit Umami, Würze, Säure und - nun gut - auch ein bisschen Zucker. Geschmack ist nun mal ein Teamplayer und braucht das Zusammenspiel von Nase (Duft), Augen (Schönheit), Tastsinn (Haptik und Mundgefühl) sowie Temperatur (sonnenwarme Tomaten, Mmmmm….), um sich zu voller Blüte zu entwickeln. Ach ja, und das Ohr hilft auch beim Schmecken! Mal ehrlich, schmeckt eine Tomate mit einem hübschen Namen nicht besser als eine mit einem hässlichen Namen? ;-)
Ich jedenfalls weiß, dass ich unbedingt die peruanische Wildtomate haben muss - da führt kein Weg dran vorbei, quasi als Geschmacks-Referenz aus dem Altertum - und dass sich dann neben ihr die neuen Hollywood Schönheiten messen lassen müssen.
Bild: 'Indigo Rose' - die Tomate mit den schwarzen Früchten
Der Tomaten-Oskar wird in diesem Jahr in meinem Garten in sieben Kategorien vergeben.
Tomatenklassen in der "Ranka-Skala":
- Sinnlich-lustvoll-schmelzend-orientalisch-würzig (Mata Hari)
- Himmelhochjauchzend-süß-und-verführerisch (Marilyn Monroe)
- Geheimnisvoll-herb-gefährlich-schön (Greta Garbo)
- Elegant-klassisch-kühl-vornehm-zurückhaltend (Grace Kelly)
- Unschuldig-jung-und-noch-in-der-Entwicklungsphase (Shirley Temple)
- Locker-leichter-und-schöner-Playboy-mit-Charme (Gary Crant)
- Kraftvoll-zuverlässiger-Gewinner-der-die-Muskeln-spielen-lässt (Sylvester Stallone)
Vielleicht fällt mir (oder euch) ja noch mehr ein. Lasst uns gemeinsam die Lubera-Tomatenvielfalt-2019 erforschen und unsere Geschmacksknospen weiterentwickeln.
Ich bin gespannt, an wen ihr den Tomaten-Oskar 2019 vergeben werdet!
Ach ja, über die Verlierer redet niemand - weder in Hollywood noch in meinem Garten. Man kann ja mit Tomaten auch Minigolf spielen oder Kugelstoßen üben. Die, die momentan folienverschweisst in meinem Kühlschrank lagern, würden da bestimmt olympisches Gold holen. ;-)
Tomatengenuss auch im Winter