So langsam wird das Ateliergärtchen in Biel zu einem grünen Zimmer. Der Maschendrahtzaun verschwindet unter den Ranken der Ramblerrosen und Brombeeren, dazwischen winden sich Schwarzäugige Susanne und Hopfen. Die Stockrosen schieben ihre magentafarbenen, hellgelben und zartrosaroten Blüten zwischen Drahtmaschen und Laubdickicht hindurch, und leuchten munter der Sonne entgegen. Die Herbsthimbeeren recken uns ihre mit süssen Früchten beladenen Zweige entgegen, sie wachsen einem fast in den Mund. Und vom Parkplatz her schiebt sich die Zierrebe Meter um Meter in alle Richtungen, dass es eine wahre Freude ist. Tatsächlich ist innerhalb von zwei Sommern aus dem tristen grauen Innenhof im Stadtzentrum ein grüner Lebensraum entstanden. Von den Beeten mit Blumen und Gemüsen will ich heute nicht reden, denn was einen Raum, was ein Gartenzimmer ausmacht, sind erst einmal die Wände.
Wer einen neuen Garten anlegt, muss erst einmal schauen, ob schon Wände oder Zäune vorhanden sind, und wie sich diese begrünen lassen können. Inzwischen sind auf dem Markt diverse Systeme für vertikale Gärten erhältlich, die aber meist recht teuer sind und sich eher für kleinere Balkonprojekte eignen. Und natürlich kann man immer auch aus alten Eisenbahnpaletten, Weinkisten und sonstigen Recyclingmaterial selber die Grundlage für grüne Wände zusammenzimmern. Wenn aber wie bei uns im Atelier Boden vorhanden ist, ziehe ich es allemal vor, diesen soweit aufzupeppen, damit die Pflanzen von Grund auf wachsen können. Die grösste Arbeit im Ateliergarten bestand darin, unzählige Säcke mit Gemüseerde, Kompost und Eselmist herbeizuschleppen. Wenn erst einmal guter, fruchtbarer Boden da ist, ergibt sich der Rest weitgehend von selber. Dann reicht im Prinzip eine Handvoll Samen, dann reichen ein paar Stecklinge und Setzlinge und etwas liebevolle Pflege als Starthilfe.
Bei Gartengrenzen denken die meisten Leute aber erst einmal an Hecken. Und sie pflanzen dann womöglich noch Kirschlorbeer oder Thuja, was beides sowohl ästhetisch wie ökologisch mehr als fragwürdig ist. Sowohl Thuja wie Kirschlorbeer laugen den Boden aus, und zu ihren Füssen wächst nichts anderes mehr. Sie müssen regelmässig mühsam zurechtgestutzt werden. Und beim Kirschlorbeer muss man ausserdem aufpassen, dass er sich nicht vermehrt, dazu besteht inzwischen sogar eine gesetzliche Pflicht, da er als invasiver Neophyt gilt. Und falls man eine solche Hecke dann nach einigen Jahren entfernen möchte, ist das ein grösseres Unterfangen inklusive Bagger und Mulde. Oekologisch sinnvoller wären allemal Buchen- oder Eibenhecken, die aber recht langsam heranwachsen.
Meinerseits mag ich Hecken aus einem weiteren Grund nicht besonders: sie brauchen enorm viel Platz! Gerade in kleinen Stadtgärten nehmen monotone Hecken oft unproportional viel Raum ein, auf dem andere, interessantere Pflanzen wachsen könnten. Darum ist mitunter die Lösung mit einer schmalen Betonmauer und einem Maschendrahtzaun darauf besser. Eventuell reicht auch nur ein solide verankerter Zaun als Rankhilfe für ein buntes Dickicht, das übrigens auch viel schneller heranwächst als eine mühsam zurechtgestutzte Hecke. Der Zweck eines urbanen Gartenzimmers ist es ja, nebst einem gemütlichen Freiraum für die Menschen auch den Tieren neue Lebensräume, Verstecke und Nahrung zu bieten.
Ich habe diesen Sommer im Ateliergärtchen fünf verschiedene Sorten Schmetterlinge gezählt, wir haben inzwischen diverse Hummelarten, Bienen, Schwebefliegen. Nebst Spatzen und Tauben sind nun auch Kohl- und Blaumeisen zu Gast, die sich mit Vergnügen über die Kerne der Sonnenblumen hermachen. Ein Rotbrüstchen ist uns auch schon besuchen gekommen. Dutzende von Marienkäferlarven fressen sich gerade durch die Läusekolonien auf dem hochgestengelten Fenchel. Auch den Regenwürmern geht es gut, die wir ausgesetzt haben, denn anfangs gab es in der an sich toten Erde unter dem ehemaligen Parkplatz natürlich keine Würmer. Inzwischen vermehren sie sich gut in den neu angelegten Beeten, und ich hoffe einfach, dass die Amseln sie nicht schneller dezimieren, als sie sich zu vermehren mögen. Im Grossen und Ganzen stellt sich aber auch auf dem sehr kleinen Raum (es wären etwa drei Parkplätze) ein biologisches Gleichgewicht ein, und die meiste Zeit verbringe ich dieser Tage mit Beobachten, sowie mit Beeren, Kräuter und Gemüse ernten. Natürlich schneide ich hier und dort was weg, streue die reifen Samen der Stockrosen in Lücken, und den spanischen Wegschnecken, die diesen Sommer plötzlich aufgetaucht sind, habe ich rasch den Garaus gemacht. Ansonsten gilt: Leben und leben lassen.
Jetzt höre ich schon den Einwand: Dieser begrünte Zaun ist ja gar nicht blickdicht, und wenn im Herbst das Laub fällt, sieht man erst recht überall rein! Ok, aber im Winter liegen wir ja eh nicht im Bikini auf den Liegestühlen. Und bei uns im Atelier sind die Nachbarn rundum nett, wir haben inzwischen eine rege Grüsskultur entwickelt, und zwischen den Ranken hindurch wird mitunter auch gefachsimpelt über alles mögliche, was gerade blüht oder herumfliegt. Und das ist gut so. Die klassische blickdichte, immergrüne Hecke ist nämlich das sprichwörtliche Brett vor dem Kopf. Hauptsache, ich sehe meinen Nachbarn nicht, und wehe, es würden Passanten im Vorbeigehen vielleicht noch sehen, was für schöne Tomaten wir gerade ernten! Oder jemand könnte auf die Idee kommen, sich gratis einen Blumenstrauss zu pflücken, herrje, wo kämen wir da hin. Angesichts der helvetischen Blickdichte-Hecken-undsowiesoalleSchottendicht-Kultur möchte ich das einfach wieder mal gesagt haben: Der primäre Sinn und Zweck eines Gartens ist es, einen Lebensraum zu schaffen. Für die Pflanzen, für die Tiere, für die Menschen. Und zu einem Garten, in dem ich mich wohl fühle, gehören eben auch freundliche Worte über den Zaun hinweg.
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Thema: Sabine Reber

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Autor: Sabine Reber

Sabine Reber ist selbständige Buchautorin und Pflanzenexpertin. Ausserdem berichtet sie in ihrem Bergblumenblog über das Leben in den Bergen und ihre Erfahrungen mit dem alpinen Gärtnern. Mehr über die Autorin auf: www.sabinesgarten.ch. Sabine Reber ist ausserdem präsent auf Facebook, Instagram und Twitter.
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