Da schlägt das Herz eines jeden Gärtners höher, aber halt, zu früh gefreut, wir müssen weiter Unkraut jäten. Nur, dass es eben mal umbenannt wurde und wir es nicht mehr jäten, sondern pflegen sollen. Jedenfalls wenn es nach einer neuen Kategorie Gärtner, geht, meistens jung, modern, urban und neue Wege beschreitend. Oh ja, ich hätte auch gern einen unkrautfreien Garten, aber beim Unkraut (hach, ich liebe diese Bezeichnung nach wie vor), da scheiden sich die Geister. Die einen lösen das Problem, indem sie diese besondere Kategorie Grün umbenennen und lieben, die anderen zupfen es raus und ärgern sich, dass es nach fünf Minuten wieder da ist (Stichwort Ackerwinde, ich habe wirklich ALLES im Garten, was einem das Gartenleben schwer machen kann).
Gerade eben, kurz bevor ich in den Garten gehen wollte, um mein "Lieblings-Unkraut", die Brennnessel, wieder mal großflächig auszugraben, da las ich beim Morgenkaffee in den "Social Media" (die nebenbei auch wie Unkraut wuchern), den Beitrag eines Hobbygärtners, der Brennnesseln in seine Schrebergartenparzelle holte und anpflanzte, weil es so wahnsinnig praktisch, schön und gesund ist. Na ja, kann man ja machen, Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters, aber das Lustige an der Geschichte waren die weit mehr als hundert Kommentare, die diese Aktion hervorbrachte:
Alle Kommentatoren lobten und priesen diese Unkräuter über den Klee, man müsse sie alle wachsen lassen, wo sie wollen, sie seien das Beste, was einem Garten passieren könne, man solle Unkraut ausbuddeln, wo man es nur am Wegesrand sehe und in den Garten pflanzen und überhaupt: "Unkraut" gäbe es nicht mehr, nur noch wertvolle "Heilkräuter", "Beikräuter" oder gar "Kraftpflanzen".
Das Schlimmste aber: Diese Neu-Gärtner hackten munter und mit einer ideologisch verbrämten Vehemenz auf anderen Gärtnern herum, die jedweden Pazifismus und "We-are-one-world"-Gedanken ad absurdum führte, der von oben erwähnten jung-progressiven, urbanen Gärtnern in ihrem Parzellen mit den "Beikräutern" praktiziert wird. Love and Peace für’s Unkraut, aber nicht für den Nachbarn auf der anderen Seite des Gartenzaunes!
Tja, was soll man dazu sagen? Beim Gärtnern hört die Toleranz wohl auf. Ich habe dies schon oft beobachtet in den sozialen Medien in Bezug auf’s Gärtnern, da wo alte Arbeitsweisen auf neue Ansichten stoßen, junge Gartenfreaks auf alte Schrebergärtner und konservativer Gemüseanbau auf progressive Lifestylegärtner trifft. Wobei gerade die meist jungen, "fortschrittlichen" Hobby-Gärtner gerne auf den alten Gärtnern herumhacken, die kein Unkraut im Garten haben wollen (und die auch noch den Mut haben, Kräuter, die die Welt erobern wollen, als Unkraut zu bezeichnen), die gerne alles ordentlich und gerade haben wollen, und die auch Nippes (sprich Gartendeko) im Garten haben wollen. Diese kriegen gerne ihr Fett ab in den sozialen Medien, die anscheinend überwiegend von den, sagen wir mal, nicht-konservativen Jung-Gärtnern bevölkert werden. Nun ja, wer täglich Unkraut zupfen muss und den Garten ordentlich und produktiv halten will, hat auch wenig Zeit für Facebook, Twitter, Instagram, Blogs und dergleichen, deswegen vielleicht der Überhang der Unkraut-Liebhaber dort, sie haben einfach mehr Zeit! ;-)
Aber jetzt mal im Ernst, Leute. Wie wär’s mit ein bisschen mehr Toleranz gegenüber den Nachbarn, den Mit-Gärtnern, den Garten-Freaks, die NICHT so denken? Die anders sind, am Alten festhalten, weil es sich bewährt hat? Um es mal deutlich zu sagen: JEDER GARTEN IST SCHÖN!!!!
Video: Unkrautbekämpfung im Hausgarten
Egal ob Englischer Rasen, kitschige Garten-Deko bis zum Abwinken, präzise abgestochene Beete mit roten Dahlien, unkrautfreie Radieschen-Reihen oder Brennnessel überwucherter Permakulturgarten mit Wildwiese und Pferdemisthaufen an jeder Ecke: Jeder Garten ist ein Spiegelbild der LIEBE, die der Gärtner hineinsteckt (und ja, ich unterscheide auch nicht politisch korrekt zwischen Gärtner und Gärtnerin, dafür habe ich weder Sinn noch Zeit, denn es geht ums Gärtnern hier, und ich - obwohl weiblich - bin praktischerweise auch ein Gärtner ohne -in).
Ich mag JEDEN Garten, ob kitschig, clean, verwildert oder alles zusammen (so wie mein Garten). Ich sehe in jedem Garten, an dem ich vorbei gehe, die fürsorgliche Hand des Gärtners, seine Persönlichkeit, seine Individualität und ich sehe das, was uns verbindet: Die Liebe zum pflanzen, wachsen und gedeihen lassen.
Liebe Wildwuchs-, Unkraut- und Laissez-faire-Gartengeneration, bitte hört auf, eure Mit-Gärtner niederzumachen, besonders uns "altmodische" Gärtner. Wir sind alle gleich vor Gottes grünem Daumen. Wenn man kein Unkraut im Garten will, hat das meistens gute Gründe: Man will nämlich etwas ernten (was man nicht kann, wenn Brennnessel und Co. die Beete erobert haben, sie konkurrieren nämlich mit dem schwachen Gemüse um Nährstoffe, und Unkraut gewinnt immer, weil es nämlich stärker ist, deswegen auch der zutreffende Name), und man möchte den Garten auch gerne pflegeleichter im Alter haben (mein Rücken spricht Bände davon).

Bild: Schwarze rotbättrige Johannisbeere Black'n'Red® Premiere® - die erste Johannisbeere mit zierenden roten Blättern
Last but not least: Unkraut ist schon längst rehabilitiert. In den meisten Gärten, auch den mit den nicht mehr ganz so taufrischen Gärtnern, gibt es immer Ecken mit Beikräutern und diversem Wildwuchs, weil auch wir schon seit Jahrzehnten Brennnessel-Jauche machen und gelernt haben, dass man Giersch nicht besiegen, wohl aber essen kann.
Zeit also, die verbalen Krallen einzufahren, um das zu tun, was man predigt. Toleranz gegenüber den Gärtnern dieser Welt auszuüben! Einfach mal einen leckeren Smoothie mit Brennnesseln über den Gartenzaun reichen (oder eine Brennnessel-Quiche backen), etwas Nettes über den Gartenzwerg in Nachbars Blumenbeet sagen und sich freuen, dass wir alle das Grüne lieben, das Bunte, das Gemüse, die Äpfel, die Beeren und die Blumen (auch den unkrautfreien Rasen) und das man alles auch fusionieren kann. So wie ich, hier bei mir gibt es tippitoppi unkrautfreie Beete für Gemüse und Schnittblumen, Wildwuchs unter den Obstbäumen, Löwenzahn und Klee im Rasen, Gartendeko nach Herzenslust und Kitsch, wo es mir gefällt (ich plane sogar einen Mini-Feen-Garten im Kübel dieses Jahr, ohauaha). So, und jetzt gehe ich raus und grabe stundenlang kilometerlange Brennnesselwurzeln aus, die meine Gartenwelt übernehmen wollen und entsorge dieselben in den Mülleimer (politisch korrekt: Biotonne). Und wer will, darf vorbei kommen und sich Brennnesseln-"Stauden" bei mir abholen, ich teile gerne und völlig ohne Vorurteile. ;-)